Willi Sänger
Willi Sänger, geboren am 21. Mai 1894 in Berlin, von Beruf kaufmännischer Angestellter, hatte sich vor dem ersten Weltkrieg der Arbeiterbewegung angeschlossen. 1919 wurde er Mitglied der KPD. Er gründete die Sparte Leichtathletik des Arbeitersportvereins „Fichte“, übernahm später den Vorsitz der Fichte-Sportgemeinschaft Berlin-Südost und gehörte in den letzten Jahren der Weimarer Republik der Leitung der „Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit“ an. Nachdem die Arbeiterorganisationen in die Illegalität gedrängt wurden, beteiligte er sich an der Organisierung des Widerstandes der Sportler. Während des zweiten Weltkrieges leistete Willi Sänger als Funktionär der KPD eine umfangreicheillegale Arbeit. Im Auftrag der Leitung trug er politische Stimmungsberichte aus verschiedenen Bevölkerungsschichten zusammen. Aus der Staatsdruckerei besorgte er das „Deutsche Fahndungsbuch“. Dadurch konnte mancher Antifaschist vor Verhaftung und Tod bewahrt werden. Er arbeitete als Kurier und stellte die Verbindung zu dem Kommunisten Willi Bänsch her, der im„Arbeitserziehungslager“ Berlin-Wuhlheide Gefangener der Faschisten war. Über ihn erfuhren die Häftlinge von der Gründung des Nationalkomitees Freies Deutschland und lernten das Programm für den Sturz Hitlers und für ein freies demokratisches Deutschland kennen. Im Juli 1944 wurde Willi Sänger ein Opfer der Gestapo. Die Blutrichter verurteilten den mutigen Antifaschisten, und am 27. November 1944 starb Willi Sänger im Zuchthaus Brandenburg auf dem Schafott. Der Name dieses antifaschistischen Widerstandskämpfers wurde dem NVA-Fallschirmjägertruppenteil am 23. September 1969 verliehen.”
Quelle: »Fallschirmjäger im Einsatz«, Lesematerial für die Teilnehmer an der vormilitärischen Laufbahnausbildung Fallschirmjäger, ZV der GST, Ausgabe 1987, Seite 34
Der letzte Brief:
„Montag, den 27. November 1944
Soeben, es kann 11 Uhr gewesen sein, wurde ich aus der Zelle geholt und mit 11 weiteren Häftlingen nach einem anderen Haus der Anstalt gebracht. Wieder Einzelzelle und dann die Eröffnung, das Reichsjustizministerium hat das Gnadengesuch abgelehnt, das Urteil wird heute um 12.30 Uhr vollstreckt. Nun ist es notwendig, endgültig Abschied zu nehmen. Der letzte Hoffnungsseidenfaden ist gerissen. Nur 50 1/2 Jahre – und kurze Zeit nachdem meine Mutter ins Grab ging, muss ich nun auf diese Artebenfalls Abschied nehmen von dieser Welt. Ich hatte keine große Hoffnung und habe mich in diesen letzten Wochen auf diese Schlachterei vorbereitet. Ich kann nicht besser schreiben wegen der Handfesseln, die ich während der ganzen Zeit Tag und Nacht nicht los wurde und auch jetzt nicht. Grüße bitte alle Bekannten und die Hausbewohner. Ich bin ruhig, gefasst und weiß, dass Ihr auch fest und stark bleiben werdet. Haltet die Erinnerungen an mich und das, was ich erstrebte, hoch. Es ist nicht so einfach, die letzten Minuten mit dem Gedanken an das Fallbeil zu verbringen. Draußen scheint die Sonne. – Heute morgen sah ich Ali Neumann das letzte Mal durch den Spion, als er in die Tischlerei zur Arbeit ging. Bewahrt mir ein recht gutes Andenken. Es muss doch anders werden, die Opfer sollen nicht vergeblich gewesen sein. Willi“
Quelle: »Erkämpft das Menschenrecht«, Lebensbilder und letzte Briefe antifaschistischer Widerstandskämpfer, Dietz-Verlag, Berlin, 1958, Seite 452
Willi Sängers antifaschistischem Widerstand wird in der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde gedacht (Rechte Innenseite der Ringmauer). An seinem ehemaligen Wohnhaus in der Oppelner Straße 45 in Berlin erinnert eine in den Gehweg eingelassene Gedenktafel an ihn.
In der Nationalen Volksarmee der DDR gehörte der Name „Willi Sänger“ zu den sogenannten Ehrennamen. Das Luftsturmregiment 40 der NVA war nach ihm benannt. Darüber hinaus tragen in Ostdeutschland mehrere Straßen, Schulen, Sportgruppen usw. seinen Namen.