"So lange wie nötig" – Lawrow verweist Scholz auf die Folgen für die Ukraine
Russlands Außenminister Sergei Lawrow hat das Telefongespräch von Bundeskanzler Olaf Scholz mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin kommentiert. Lawrow sagte, es sei nicht klar, warum Berlin so hartnäckig an seiner Zusage zur Unterstützung der Ukraine festhalte. Scholz hatte im Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten den Rückzug aller russischen Truppen als Vorbedingung für die Aufnahme von Verhandlungen gestellt und den "russischen Angriffskrieg" verurteilt. Das Festhalten Deutschlands an diesen Bedingungen verlängert den Konflikt, da dadurch seine Ursache nicht eliminiert wird.
"Das wiederholen die Deutschen und andere EU- und NATO-Mitglieder beständig öffentlich. Doch wenn sie Behauptungen aufstellen wie 'Wir werden so lange wie nötig mit der Ukraine zusammen sein', stellt sich die Frage: Für wen ist es notwendig? Auf jeden Fall nicht für das ukrainische Volk", sagte Lawrow auf einer Pressekonferenz im Rahmen des Sir Bani Yas Forums in Abu Dhabi. Lawrow warnte den Westen vor einer Verlängerung des Konflikts auf Kosten der Ukraine. Eine Verlängerung erhöhe nur die Zahl der Opfer und das Ausmaß der Zerstörung.
Am Freitag hatten Scholz und Putin zum ersten Mal nach knapp zwei Jahren wieder miteinander telefoniert. Das Telefonat hatte über eine Stunde gedauert. Der Kreml beschrieb das Gespräch als "detaillierten und offenen Austausch von Meinungen zur Situation in der Ukraine".
Putin hatte Scholz darauf hingewiesen, dass der Ukraine-Konflikt das direkte Ergebnis der langanhaltenden, aggressiven Politik der NATO und des Versuchs sei, in der Ukraine ein Anti-Russland zu schaffen. Die Politik der NATO berühre russische Sicherheitsinteressen. Diese Interessen würden beständig ignoriert. Gleichzeitig werde die russischsprachige Bevölkerung im Osten der Ukraine vom Kiewer Regime verfolgt.
Putin hatte Scholz erläutert, Russland sei zu Verhandlungen unter der Anerkennung der territorialen Realitäten bereit. Im Gegensatz zu Deutschland will Russland eine dauerhafte Lösung des Ukraine-Konflikts in Verbindung mit der Schaffung einer stabilen Sicherheitsarchitektur für Europa. Scholz und die EU streben die strategische Niederlage und damit einen militärischen Sieg über Russland an.
Selenskij sauer über Telefonat mit Putin: "Olafs Anruf ist die Büchse der Pandora"
Der ukrainische Machthaber Wladimir Selenskij hat sich verärgert über das Telefonat zwischen dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gezeigt. Der Staatschef, dessen reguläre Amtszeit im Mai abgelaufen ist, warf dem SPD-Politiker vor, mit dem Telefonat die "Büchse der Pandora" geöffnet zu haben. In einem am Freitagabend veröffentlichten Video sagte Selenskij, dass der Kanzler ihn vorab über das Telefonat in Kenntnis gesetzt habe:
"Und noch eine Sache. Kanzler Scholz hat mir heute mitgeteilt, dass er Putin anrufen wird. Olafs Anruf ist meiner Meinung nach die Büchse der Pandora. Nun könnte es weitere Gespräche und Anrufe geben. Nur eine Menge Worte. Das ist genau das, was Putin schon lange gewollt hat. Es ist wichtig für ihn, um seine und Russlands Isolation zu überwinden. Und Verhandlungen aufzunehmen, gewöhnliche Verhandlungen, die zu nichts führen werden. Wie er es seit Jahrzehnten getan hat. Dies hat Russland erlaubt, an seiner Politik nichts zu ändern, nichts Substanzielles zu tun, und letztlich hat das zu diesem Krieg geführt."
Man habe die Herausforderungen jetzt verstanden und wisse, wie zu agieren sei. Er wolle jeden warnen, es werde kein "Minsk 3" geben. Man brauche wirklichen Frieden. Der frühere Fernsehkomiker schloss seine Ansprache wie üblich mit dem faschistischen Gruß "Slawa Ukraini".
Scholz und Putin hatten am Freitag zum ersten Mal seit fast zwei Jahren miteinander telefoniert. Den Pressemitteilungen beider Seiten zu dem Gespräch war wenig Neues zu entnehmen. So hieß es in der Erklärung des deutschen Regierungssprechers:
"Bundeskanzler Olaf Scholz hat heute Nachmittag mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert.
Der Bundeskanzler verurteilte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und forderte Präsident Putin auf, diesen zu beenden und Truppen zurückzuziehen.
Der Bundeskanzler drängte auf eine Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen mit der Ukraine mit dem Ziel eines gerechten und dauerhaften Friedens und betonte die unverbrüchliche Entschlossenheit Deutschlands, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression so lange wie nötig zu unterstützen."
In der russischen Erklärung wurde betont, dass das Gespräch auf Initiative der deutschen Bundesregierung zustande gekommen sei. Inhaltlich auch hier wenig Überraschendes:
"Es fand ein ausführlicher und offener Meinungsaustausch über die Lage in der Ukraine statt. Wladimir Putin erinnerte daran, dass die gegenwärtige Krise ein direktes Ergebnis der langfristigen aggressiven Politik der NATO ist, die darauf abziele, einen antirussischen Brückenkopf auf ukrainischem Territorium zu schaffen, während die Interessen unseres Landes im Bereich der Sicherheit ignoriert und die Rechte der russischsprachigen Einwohner mit Füßen getreten würden.
Zu den Aussichten auf eine politische und diplomatische Beilegung des Konflikts stellte der russische Präsident fest, dass die russische Seite die Wiederaufnahme der Verhandlungen, die vom Kiewer Regime unterbrochen wurden, nie abgelehnt hat und weiterhin offen ist. Die Vorschläge Russlands sind bekannt und wurden insbesondere in einer Rede im Juni im russischen Außenministerium dargelegt. Mögliche Vereinbarungen sollten die Interessen der Russischen Föderation im Bereich der Sicherheit berücksichtigen, von neuen territorialen Realitäten ausgehen und vor allem die Ursachen des Konflikts beseitigen."