Truppenfallschirm PD-47
(russisch: парашют десантный, образца 1947)
Der PD-47 basiert hauptsächlich auf dem für Piloten und Flugzeugbesatzungen entwickelten Rettungsfallschirm MPLK-45 aus dem Jahr 1945, der ebenfalls eine quadratische Form hatte und durch das gleiche Prinzip einen geringen Vortrieb erzeugte. Auf Bewährtes griff man auch beim Gurtzeug zurück, das sich kaum von den bis dahin verwendeten Truppenfallschirmen unterschied.
Der Hauptfallschirm hatte eine quadratische Grundform mit abgeschnittenen Ecken und bestand aus einem Schachbrettmuster mit nebeneinanderliegenden quadratischen Feldern. Der Fallschirm wurde abhängig von der Größe der Felder aus acht oder zehn Abschnitten in einer Bahn gefertigt. In ihrer Größe unterschieden sich beide Produktionsmuster nur geringfügig.
Zwischen den Feldern wurde die Fallschirmkappe mit 13 mm breiten Gewebestreifen verstärkt. Die äußeren Felder am Basisrand und die Mitte der Kappe waren zusätzlich mit einem aufgenähten Gewebekreuz verstärkt worden, um die auftretenden Kräfte bei der Fallschirmentfaltung gleichmäßig auf den Fallschirm zu verteilen. Am Basisrand, der ebenfalls mit 25 mm breiten Baumwollstreifen verstärkt worden war, wurden 16 kleine Taschen angenäht, in denen sich beim Entfaltungsvorgang die Luft verfing und so das Öffnen des Fallschirms beschleunigte.
Die 24 Fangleinen aus Baumwolle waren direkt am Basisrand angenäht. An jeder Seite fehlten die mittlere und hinten zusätzlich die beiden angrenzenden Fangleinen. Deshalb entstanden an allen Seite sogenannte Kiele, wobei der hintere Kiel deutlich größer war und hier der Hauptanteil der Luft entwich. Im Gegensatz zu den runden Kappen anderer Fallschirmmuster hatte der PD-47 keine Scheitelöffnung in der Mitte des Fallschirms. Durch die Kiele erzeugte der PD-47 eine geringe Vorwärtsfahrt. Um den hinteren Fallschirmabschnitt wieder etwas zu stabilisieren waren die beiden Fangleinen neben dem Kiel doppelt ausgeführt worden. Die Fangleinen liefen in Sechsergruppen zu den vier D-Ringen der Haupttragegurte.
Der Verzögerungssack aus Baumwolle gewährleistete bei automatischen und Freifallsprüngen eine kontrollierte und langsamere Fallschirmentfaltung. Der PD-47 war der erste großflächig eingeführte Fallschirm mit Verzögerungssack in der Sowjetunion. Mit ihm konnten die vielen Fälle von gerissenen Fangleinen, hängengebliebenen Beinen in den Fangleinen oder übergeworfene Fangleinen über der Fallschirmkappe drastisch reduziert werden. Außerdem verlangsamte er die Fallschirmentfaltung und reduzierte so die auf den Springer und den Fallschirm wirkenden Kräfte. Der Verzögerungssack war ein 4,1m langer Schlauch an dessen Spitze der Hilfsschirm oder die Aufziehleine befestigt wurde. Sobald die Packhülle offen und der Verzögerungssack in den Luftstrom gezogen und gestreckt war, schlauften die daran befestigten Fangleinen aus, wodurch die Tasche des Verzögerungssacks geöffnet wurde und der Hauptfallschirm freikam. Weil jetzt zuerst die Fangleinen und die Fallschirmkappe gestreckt wurden, bevor sich der Fallschirm voll entfaltete, war die Öffnung viel zuverlässiger geworden. Falls sich der Springer während des Entfaltungsvorgangs unkontrolliert drehte oder trudelte bewirkte der Verzögerungssack für einen kurzen aber entscheidenden Moment eine stabilisierende Kraft, bevor sich der Fallschirm voll öffnete. Diese Eigenschaften machten den PD-47 zu einem zuverlässigen Fallschirm. Erst seit den 60er Jahren verband eine Verbindungsleine auch nach der Entfaltung den Hauptfallschirm und den Verzögerungssack miteinander. Bis dahin fiel dieser separat zu Boden, wes-wegen er orange gefärbt war, um die Suche nach ihm zu erleichtern.
Der PD-47 war als einheitlicher Ausbildungs- und Truppenfallschirm für Absprünge aus Fessel-ballons und Flugzeugen mit manueller und automatischer Öffnung bei allen damaligen Nutzern von Fallschirmen eingeführt worden. Für die verschiedenen Sprungarten waren die folgenden drei Öffnungsvarianten möglich:
Freifallsprung mit Öffnungsautomat, der beim Absprung durch das Herausziehen des Sicherungsstifts von der Aufziehleine aktiviert wurde. Nach der eingestellten Zeit oder der vorgegebenen Öffnungshöhe öffnete der Öffnungsautomat die Packhülle und gab den Hilfsschirm mit Verzögerungssack frei. Gleichzeitig hatte der Springer die befohlene Freifallzeit abzuzählen und dann am Griff zu ziehen, was ebenfalls zum Öffnen der Packhülle führte.
Automatiksprung mit Aufziehleine, welche die Packhülle direkt beim Absprung durch das Herausziehen der drei Verschlussstifte öffnete. Dadurch wurde der Hilfsschirm freigegeben und die Fallschirmöffnung eingeleitet.
Automatiksprung, wobei die Aufziehleine ohne einen Hilfsschirm fest mit dem Verzögerungssack verbunden war. Die zweigeteilte Aufziehleine öffnete beim Absprung zuerst die Packhülle und zog danach den Verzögerungssack heraus. Die dünne Verbindungsschnur riss und der Springer sank am geöffneten Fallschirm zur Erde, während der Verzögerungssack an der Aufziehleine hängen blieb.
Um den PD-47 zielgenau steuern zu können brauchte es einige Erfahrung und viel Kraft. Gesteuert wurde, indem die vorderen Fangleinen links oder rechts tief heruntergezogen wurden, wobei der Springer links ziehen musste um nach rechts zu drehen und umgekehrt.
Als Öffnungsautomat wurde durchgehend der KAP-3 verwendet.
Technische Angaben | |
Kappenform: | quadratisch |
Fläche der Fallschirmkappe: | 71,5 m² |
Absetzgeschwindigkeit bei Sofortöffnung: | 250 km/h (max.) |
Minimalabsprunghöhe: | 250 m (bei 100 km/h) |
Nutzlast: | 100 kp (max.) |
Sinkgeschwindigkeit mit max. Sprunggewicht: | 5,2 m/s (100 kp) |
Max. Öffnungszeit: | 4 s |
360°-Drehung in: | / |
Vorschubgeschwindigkeit: | 1,5 – 2 m/s |
max . Gleitzahl | / |
Anzahl der Fangleinen / Bahnen: | 24 |
Länge der Fangleinen: | 6,5 m |
Gewicht von Hauptfallschirm und Gurtzeug: | 16,5 kp |
Abmessungen der Fallschirmes (gepackt): | 365 x 580 x 200 mm |
Anzahl der Bahnen: | Baumwoll-Batist |
Betriebsdauer: | 120 Sprünge(6 Jahre) |
Packzyklus: | 10 Tage |
Nach dem Aufbau der bewaffneten Organe in der DDR waren es die Soldaten des Fallschirmdienstes und die Piloten der Luftstreitkräfte, welche zuerst dem PD-47 nutzten. Später erfolgte der Einsatz bei den nichtstrukturmäßigen Aufklärungsgruppen, den Fallschirmjägern, den Aufklärern des WachRgt. “Feliks Dzierzynski” (MfS) sowie im Kampfschwimmerkommando der Volksmarine.
Die in der DDR verwendete PD-47 waren Modelle der frühen Varianten mit quadratischen Federhilfsschirmen und Fangleinen und der Möglichkeit auch ohne Verzögerungssack zu springen.
Ab den späten 1950er Jahren ließ die DDR den PD-47 beim VEB Bekleidungswerke Seifhennersdorf (BEWES) in Lizenz produzieren. Dort wurden schon zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs die Fallschirme der Wehrmacht gefertigt. Die in der DDR hergestellten PD-47 hatten alle acht Bahnen und waren aus Baumwollbatist mit einem Naturseidenanteil von 50%. Weil sie ursprünglich nur für Übungssprünge ohne Ausrüstung oder Waffen vorgesehen waren, hatte man die Kappenverstärkungen reduziert. Deshalb durften Springer ab einem Körpergewicht von 90 kg keine zusätzliche Ausrüstung mehr bei Sprüngen mit dem PD-47 mitführen.
Ab 1962 gelang es die dicken Fangleinen aus dem Baumwollmischgewebe durch leichtere, dünnere und trotzdem zugfestere Fangleinen aus Dederon zu ersetzen und an die Truppe mit den Fall-schirmen unter der Bezeichnung PD-47D auszuliefern. Die dünneren Fangleinen erleichterten das Packen des Fallschirms, erschwerten wegen ihrer glatteren Oberfläche aber auch das Herunter-ziehen zum Steuern.
Eine der Vorzüge des PD-47 war seine Steuerbarkeit. Bei Nachtsprüngen führte der eingebaute Vorschub aufgrund schlechter Sicht und der trägen Steuerung aber regelmäßig zu Kollisionen zwischen Springern. In Seifhennersdorf wurde eine Version des PD-47 ohne Vorschub produziert. Bei der als PD-47 o.K. (ohne Kiel) bezeichneten Modifikation war der hintere große Kiel geschlossen worden. Das neutrale Sinken des PD-47 o.K. minderte aber auch die Pendelstabilität.
In den ersten Jahren waren alle PD-47 aus weißem Material. Erst später lieferte man Fallschirm-kappen in dunkler Färbung und wenige Dutzend mit einem mehrfarbigen Fleckentarndruck.
Der RS-1
(auf dem RÜCKEN getragener SPRUNGFALLSCHIRM-1)
In der DDR wurde in den 50er Jahren eine eigene, dem Nylon ähnliche Kunstfaser mit der Bezeichnung Dederon entwickelt. Um diese leichte und widerstandsfähige Kunstfaser auch im Fallschirmbau einsetzen zu können, wurde ein leicht veränderter PD-47 aus diesem Material mit der Bezeichnung RS-1 entwickelt und erprobt. Allerdings waren die thermischen Belastungen durch das Herabziehen des Verzögerungssacks von der Fallschirmkappe zu groß, das Dederongewebe wurde an den Schmelzpunkt gebracht und in Folge dessen kam es zu Beschädigungen durch das Bersten des Stoffes beim Entfaltungsstoß. Beim Test-springen 1961 in Barth wurden so von 40 eingesetzten RS-1 11 beschädigt. Danach wurde die Produktion in Seifhennersdorf sofort gestoppt. Erst später konnte die Veredelung der Dederonfasern so verbessert werden, dass sie diesen Belastungen wider-stehen konnten.
Literatur- und Bildquellen:
- A. M. Lukin: Fallschirmsport der NVA. 1. Auflage
- Günter Schmitt: Die Technik und Theorie des Fallschirmsprunges, GST, 1956
- Technische Beschreibung und Anweisung über das Packen und die Inbetriebnahme des Sprungschirmes PD-47, VEB Bekleidungswerk Seifhennersdorf
- Gerhard Leutert: Fallschirmjäger der NVA., 1. Auflage
- https://de.wikipedia.org/wiki/Truppenfallschirm_PD-47
- http://desantura.ru/forum/forum37/topic4576/
- http://flaechentarn-kraus.npage.de/fallschirm.html
- http://www.uton.cz/vystroj/padaky/vysadkovy-padak-pd-47/
Herausgearbeitet von René Richter