Der rastlose Rentner
Vom pflichtbewußten KVPler
zum rastlosen Rentner
Schulabschluss 1947 und die anschließende Tätigkeit in der Landwirtschaft bei einer meiner Mutter bekannten Familie. Dort war ich dann auch Herrscher, wie man so sagt, aller Reussen.
Die Familie hatte keine Kinder und ich wurde wie das eigene Kind behandelt, aber auch unter harten Bedingungen. Das hieß früh raus und spät rein in die Federn!
Was hatten wir nicht alles – Felder, Wiesen und natürlich auch Wald. Die Größe ist mir nicht mehr in Erinnerung, aber es waren einige Hektar. Dazu drei Pferde – zwei zum Arbeiten und eins für die Freizeit – Reiten und Kutschfahrten – mehrere Milchkühe, eine große Anzahl – wie das auf einem Bauernhof so üblich ist, wenn er gut läuft – Schweine und Geflügel. Alles in allem ein gut laufender Betrieb.
Von 1947 bis 1949 brachte ich meine Arbeitskraft ein und habe sehr, sehr viel für mein weiteres Leben gelernt. Aber eines Tages war Schluss, es lockte die Werbung zu den bewaffneten Organen der neu gegründeten DDR. Ich ging nicht im Zorn, aber auch nicht zur Freude meiner vertrauensvollen Fürsorger.
Zur Werbung „ja“ gesagt und ab ging die Fahrt am 12.12.1949 zur Offz.-Schule nach Naumburg/Saale. Ein neuer Lebensabschnitt mit vollkommen anderen Bedingungen begann. Insbesondere mit höheren Anforderungen.
Dieses eine Jahr als Offz.-Schüler war eine Schule für das ganze Leben: Hart und doch schön und unvergessen. Die Vereidigung, wie konnte es damals anders sein, fand am 21.12.1949, am Geburtstag von J.W. Stalin, und mit anschließendem geschlossenen Ausgang unter Führung des Zugführers Kommissar v. Zweidorf statt.
Damit war das volle selbständige Handeln vorbei, Befehle und Dienstvorschriften waren von nun an die ständigen Begleiter meines Lebens.
Ein junger Polizeioffizier mit nicht einmal neunzehn Jahren in einer Pose, die nicht gerade etwas mit einer strammen militärischen Haltung zu tun hat. Aber Betrachter dieses Bildes – zur damaligen Zeit – meinten: ausdrucksvoll und gelungen! Naja … der oder die einen sagten so (!) oder auch so (?)…
Jedenfalls war mein erster Standort nach der Offz.-Schule die Bereitschaft der KVP in Meinigen/Thüringen. Jung an Jahren und, ob man wollte oder auch nicht, theoretisch gebildet aber keine allseitig umfassende Praxis. Die ausgeübten Dienststellungen waren Zugführer, aber wohl mehr Ausbildungsleiter einer Abteilung. Die im weiteren über ein Jahr ausgeübte Sonderkurier-Tätigkeit war eine echte Herausforderung. Hohe Verantwortung, Selbständigkeit und ausgezeichnete Leistungen, rund um die Uhr, waren höchste Pflicht. Diese Bewährungszeit – unter allen Bedingungen des fast nur militärischen Lebens – war lehrreich für die Zukunft.
Die Zeit bis 1962, war eine Zeit der ständigen, ja fast täglichen Veränderungen. Versetzungen und Kommandierungen gehörten fast zur Tagesordnung.
Dazu könnte noch viel geschrieben werden, das würde aber den Rahmen dieses kleinen Beitrages sprengen … aber auf jeden Fall nicht uninteressant und bestimmt ergibt sich daraus noch der eine oder andere Beitrag …
Aber nun mal zum nebenstehenden Bild selbst. Es entstand bei der Ausübung der Kontrollpflicht, bereits als Kommandeur des FJB-5, beim Wasserspringen in den Bergwallsee bei Stralsund. Diese Übung hatte einmalig dort stattgefunden und sich nie wiederholt. Warum?
Der Bergwallsee wurde schon bald ein Trinkwasserschutzgebiet zur Versorgung des Umlandes … da waren wir mit unseren staubigen Sprungstiefeln fehl am Platz.
Aber noch durfte mit dem Motorboot zur Bergung der Schirme auf dem See gefahren werden.
Das Boot war übrigens eine Leihgabe des Pionierbataillons 8, unserem Nachbarn in Prora.
Dieses Foto erinnert mich sehr stark an die Reise als Kommandeur des FJB-5 in die Sowjetunion. Der Anlass war das Treffen der Kommandeure der Fallschirmjäger- und Luftlandeeinheiten der Armeen des Warschauer Vertrages an der Hochschule der Luftlandetruppen der Sowjetunion in Rjasan – ungefähr 200 km von Moskau entfernt.
Unsere Delegation bestand aus Major Gottfried Neis als Vertreter des Ministeriums der NVA, Major Schmidt – der mir als Dolmetscher in guter Erinnerung geblieben ist -und mir, Major Hubert Pardella als Kommandeur des FJB-5. Im Vertrauen … Meine Absicht ist es in der nächsten Zeit darüber eine ausführlichen Erlebnisbericht zu schreiben. Diese Reise war ein Erlebnis, das ich nicht vergessen kann. Das war das letzte Auftreten in der Uniform der Fallschirmjäger der NVA und meine Verabschiedung als Kommandeur des FJB-5.
Zu meiner Dienstzeit als Kommandeur des Truppenteils kann ich nur sagen: Sie bleibt mit der Wertung unvergesslich Zeit meines Lebens in meinem Herzen!
Eines möchte ich noch zu bedenken geben, wir waren damals noch in den Anfängen unserer fallschirmjägerischen Entwicklung und der Einordnung in die Struktur der NVA. Wir suchten quasi noch unseren Platz in unserer Armee … und trotz aller Höhen und Tiefen waren wir auf dem richtigen Weg!
Die Leistungen der Offiziere, Unteroffiziere und Fallschirmjäger waren jedoch schon als „beispielhaft“ zu bezeichnen. Solche Angehörigen wie Major Jüling, Major Engelmann, Hauptmann Elsner, Hauptmann Leutert und Leutnant Reddig, um nur einige zu nennen, waren Fallschirmjägern der ersten Stunde. Oder die Fallschirmwarte Grygas, Nofs, Kowalski, Gutach und nicht zu vergessen der verdienstvollste – trotzdem einer von vielen – Fallschirmwart der Begleitbatterie „Schmidt 2“. Auch viele andere, die ich während meiner Zeit im Fallschirmjäger-Truppenteil kennen gelernt habe, hätten es verdient, hier genannt zu werden, aber belassen wir es erst einmal bei den Genannten …Im Zusammenhang mit einigen dieser Namen fällt mir auch gleich die, ich nenne sie einfach mal „Langstreckenübung“, angelegte Übung im Raum „Lindhorst“ – damals im Kreis Wolmirstedt, Bezirk Magdeburg – ein.
Diese Übung hatte zum Ziel, den Raum Perleberg/Pntzwalk in Einsatzgruppen zu erreichen. Wie kann es anders sein – natürlich mit der selbständigen Versorgung und der Durchführung von Aufklärungs- und taktischen Handlungen an bestimmten Objekten, wie Bahnlinien und Funkleitstellen. So auch in Dequede bei Stendal.
Unvergessen bleiben die hierbei auf hohem Niveau erbrachten Leistungen und Handlungen. Aber auch die hohe Einsatzbereitschaft der Offiziere und Unteroffiziere des Bataillonstabes – wir können sagen, all der Begleiter und Kontrolleure – ist lobend zu erwähnen. Gab auch doch auch ein Beispiel, das dieser hohen Wertung gerecht wurde: Ein Kontrolleur kam, sagen wir „fast barfüßig“ am Punkt des letzten Treffs an. Den Namen lassen wir mal bewusst unerwähnt, aber trotzdem für die Wissenden, er war der englischen Sprache zum Teil mächtig. Neugierig … vielleicht später einmal den Rest?! Die Wertung insgesamt: Es war eine der gelungensten Übungen! Meines Wissens nach, fand eine vergleichbare oder gar ähnliche Übung nie wieder statt.
1978 begann für mich, als jahrzehntelanger Truppenoffizier seit 1952 immer in Kommandeursdienststellungen, ein Abschnitt des administrativen Dienstes – ich bezeichne ihn mal so -, der sich bis 1984 hinzog. Ich wurde auf eigenen Wunsch, den meine Vorgesetzten, die das zu entscheiden hatten, akzeptierten, Leiter eines Wehrkreiskommandos. Grund war u.a. der Gesundheitszustand meiner Frau, die mich viel zu früh allein auf dieser Welt zurückgelassen hat. Diese Dienststellung begleitete ich bis zu meiner Versetzung in die Reserve. Als Oberst a.D. begann nun das „Rentnerdasein“! Von wegen …
Dieser neue Abschnitt meines Lebens begann wieder als Diensttuender, allerdings im zivilen Bereich und das als Geschäftsführer eines Wohlfahrtsverband es in Rostock, über die Wendezeit hinweg im Kreis Bad Doberan – bis zum Erreichen der Altersgrenze zur gesetzlichen Rente im Jahr 1997. Fünfunddreißig Jahre Diensttuender in den bewaffneten Organen der DDR und zwölf Jahre im zivilen Bereich unserer Republik lagen hinter mir.
Heute lebe ich nun seit siebenundvierzig Jahren mit festem Wohnsitz in der schönen Ostsee Stadt Rostock und fühle mich nach wie vor sehr wohl und harre jeder Minute, die mich mit alten und neuen Freunden und Kameraden zusammenbringt!
Soviel für´s erste.
Euer Kommandeur Hubert Pardella