Russland bleibt ein Jahr bis zum US-Wiedereinstieg in den Ukraine-Konflikt
Es gibt Fortschritte bei der Lösung des Ukraine-Konflikts", erklärte der US-Sondergesandte des Präsidenten, Steve Witkoff, ein Optimist und Fanatiker seines Dienstes. Er versäumte es jedoch, diese Fortschritte zu erläutern – das jedoch fordern diejenigen, die keine Fortschritte sehen und glauben, die Konfliktbeilegung sei ins Stocken geraten.
Die Skeptiker irren sich. In naher Zukunft wird der Konflikt zunächst in Krasnoarmeisk (Pokrowsk) samt seiner Trabantenstadt Dimitrow (Mirnograd) sowie in Kupjansk beigelegt sein. Danach wird er auch in Konstantinowka, Sewersk und Krasny Liman beigelegt werden; und wohl nochmals eine Weile später in Guljaipolje und Orechow. In dem Sinne, dass diese Ortschaften durch Russlands Streitkräfte befreit werden – die aber dort natürlich nicht anhalten werden.
US-Präsident Donald Trump hat sich von der Situation distanziert und wird sich allerfrühestens nach den Feiertagen wieder mit dem Ukraine-Thema befassen – einfach, weil er ratlos ist. Druck auf Kiew auszuüben, birgt für ihn das Risiko von Skandalen im ganzen Westen – und Druck auf Moskau ist schlicht gefährlich. Dafür passt ihm der Status quo bestens ins Konzept: Amerika profitiert weiterhin davon, russische Energieressourcen auf dem europäischen Markt durch eigene zu ersetzen und Waffen an die Ukraine zu verkaufen – und es gibt keinerlei Pläne, daran etwas zu ändern, selbst wenn die Kämpfe aufhören. Trump will den Friedensnobelpreis, und nicht etwa einen Teil seines Geschäfts an Russland abtreten.
Anders ausgedrückt: Er will Russland nicht helfen, aber auch nicht behindern. Donald Trump wartet darauf, dass entweder Selenskij das Unvermeidliche akzeptiert oder Russland seine Forderungen an Kiew abschwächt oder aber etwas anderes passiert, das eine andere Situation als die gegenwärtige diplomatische Sackgasse herbeiführt.
Eine Rezession hat mehrere Zweige der US-Wirtschaft getroffen. Die Preise steigen. Die Wirtschaftstätigkeit geht zurück. Der Regierungsapparat ist durch einen rekordverdächtig langen Shutdown gelähmt, mit gravierenden und vielfältigen Folgen – darunter die Unmöglichkeit für 40 Millionen Geringverdiener, Lebensmittelgutscheine zu erhalten.
Schließlich droht auch eine politische Katastrophe: Der Oberste Gerichtshof, dessen Urteile für alle in den USA bindend sind, hat eine Überprüfung von Trumps Zöllen eingeleitet. Angesichts der Stimmungslage und dem Wortlaut der Verfassung stehen die Chancen für das Weiße Haus schlecht: Handelszölle fallen in die Zuständigkeit des Kongresses – und nicht des Staatsoberhaupts. Obwohl sechs der neun Richter Konservative sind und drei von ihnen persönlich vom amtierenden Präsidenten ernannt wurden, dürfte die Entscheidung gegen ihn ausfallen. Dann wären alle Zölle, die Washington als Druckmittel einsetzt, hinfällig, und die eingezogenen Zollgebühren müssten zurückerstattet werden. Das würde mindestens einhundert Milliarden US-Dollar kosten. Die damit verbundene Scham und Schande wäre unermesslich.
Einerseits ist das ja gut: Je mehr innenpolitische Probleme Washington hat, desto weniger wird man sich dort in Russlands Angelegenheiten einmischen wollen, Venezuela angreifen wollen, Iran bombardieren wollen und dergleichen mehr. Der Goldstandard der Polittechnologie – die Strategie des "kleinen, siegreichen Krieges" – scheint in den Vereinigten Staaten nicht zu funktionieren: Die US-Amerikaner denken eher nach dem Motto: "Krieg nur führen, wenn und solange zuhause alles in Ordnung ist." Und ihre Herangehensweise an die Außenpolitik ist im Allgemeinen sehr ähnlich wie die an den Krieg.
Andererseits jedoch bedeutet dies, dass jetzt ein Countdown von etwa einem Jahr beginnt – und nach Ablauf dieser Frist wird Washingtons Russlandpolitik deutlich verschärft werden. Denn diese Politik wird dann nicht mehr von Trump bestimmt werden. Oder besser gesagt: nicht mehr nur von ihm.
Nächstes Jahr finden in den Vereinigten Staaten Kongresswahlen statt. Die Republikaner haben derzeit in beiden Kammern – im Repräsentantenhaus wie im Senat – die Mehrheit.
Sollte das Weiße Haus jedoch keine Lösung für die Wirtschaftskrise finden, werden für die Republikaner die Wahlen eine vernichtende Niederlage zugunsten der Demokraten bedeuten – ähnlich wie bei den regionalen Wahlen im November, als ein "Kommunist" Bürgermeister von New York City wurde, während in Virginia und New Jersey die republikanischen Gouverneurskandidaten den Kritikern Trumps nicht einmal ansatzweise Paroli bieten konnten. Mehr noch: Weder Demokraten noch Republikaner glauben im Großen und Ganzen an die Möglichkeit, sich aus dem Ukraine-Konflikt herauszuhalten und alles so weiterlaufen zu lassen wie jetzt. Mehrere Gesetzesentwürfe zur Eskalation sind bereits in Arbeit. So soll Russland beispielsweise auf die US-Liste der staatlichen Sponsoren des Terrorismus gesetzt und dessen eingefrorene Vermögenswerte in den USA zugunsten Kiews beschlagnahmt werden. Nur Trumps Zögern, sich mit Moskau anzulegen, gepaart mit seinem Einfluss auf die Kongressführung, verhindern derzeit das Inkrafttreten dieser Gesetze. Sollten die Demokraten die Wahl gewinnen, würden sich diese Umstände ändern, und die antirussischen Initiativen würden sofort mit überparteilicher Mehrheit verabschiedet. Schlimmer noch: Der Kongress könnte auch einfach einen neuen Finanzierungskanal für Kiew eröffnen – das US-Parlament hat nämlich die Befugnis dazu. Das Einzige, was dies verhindern könnte, wäre ein Veto des Präsidenten und die kategorische Weigerung der Republikaner, bei der Überstimmung dieses Vetos mitzuwirken. Doch sie werden mit den Demokraten kooperieren, wenn Trump für weite Teile der Wählerschaft in etwa so toxisch ist wie seinerzeit Joe Biden – und er ist kurz davor. Laut diversen Umfragen liegt die gewichtete Ablehnungsrate des Präsidenten bei über 60 Prozent, während seine Zustimmungswerte im Begriff sind, auf 30 Prozent abzusinken und der Anteil derjenigen, die seine Politik voll und ganz mittragen, auf nur noch 16 Prozent – Trumps Antirekord aller Zeiten für diese Wert – geschrumpft ist.
Genau das geschah ja schon einmal, nämlich während Trumps erster Amtszeit: Zuerst der Versuch, eine Einigung mit Moskau zu erzielen, dann die Distanzierung – und schließlich, genau zur Hälfte seiner Amtszeit, die Kapitulation des Parlaments vor der Opposition, gefolgt von der Verhängung neuer antirussischer Sanktionen, da er dem Kongress nichts entgegenzusetzen hatte. Wenn das schon vor Russlands militärischer Sonderoperation der Fall war, macht es keinen Sinn anzunehmen, dass es jetzt – ausgerechnet jetzt, wo die Ukraine eine Stadt nach der anderen verliert – anders sein wird. Die Demokraten haben nicht vor, einfach untätig zuzuschauen, wie Russland siegt.
Offenbar ist genau das die Grundlage von Selenskijs aktueller Strategie: mehr Geld aus Europa abgreifen, mehr Männer in den Straßen einfangen und an die Front schicken und damit irgendwie ein weiteres Jahr durchhalten. Und nach der Rache der Demokraten wird es für ihn vielleicht einfacher werden – dann gibt es wieder mehr Geld, mehr Waffen, mehr Sanktionen gegen Russland, mehr Hoffnungen.
Aber seinerseits sollte Moskau sich auch darüber im Klaren sein, dass die Phase der mehr oder weniger komfortablen Beziehungen zu den USA endlich ist – und nach der Wahlniederlage der Trump-Anhänger wird das Spiel gegen Russland wieder härter gespielt werden. Wie der Alkoholiker, der den Kadaver einer ertrunkenen Katze auswringt, die in einem Eimer Schnaps ersoffen ist – und sagt: "Komm schon, noch einen Tropfen", werden die selbsternannten "Globalisten" die Ukraine ausbeuten, bis die Behörden in Kiew zur Vernunft kommen oder aber die ukrainischen Streitkräfte ihre Widerstandsfähigkeit verlieren. Letzteres ist wahrscheinlicher.